Von der Befruchtung über die Einnistung bis zur Geburt: Neues aus der reproduktionsimmunologischen Forschung
Abteilung für Experimentelle Gynäkologie und Geburtshilfe wirbt umfangreiche neue Fördermittel ein
Das Team der Abteilung für Experimentelle Gynäkologie und Geburtshilfe der Medizinischen Fakultät, geleitet von Prof. Dr. Ana Claudia Zenclussen, hat in den letzten Monaten drei neue Projekte und somit Fördermittel in Höhe von mehr als 1 Mio. Euro eingeworben. Dadurch konnte unter anderem ein neues Ultraschallgerät angeschafft werden, das revolutionäre Einblicke in die Vorgänge während der Schwangerschaft ermöglicht.
Möglich gemacht hat die Anschaffung eine Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), in deren Rahmen Prof. Zenclussen und ihr Team Botenstoffe und Enzyme erforschen, welche wichtig für das komplexe Zusammenspiel von Gebärmutter, Plazenta und Embryo in der frühen Schwangerschaft sind. Die Gruppe konnte in früheren Arbeiten bereits zeigen, dass das Enzym Hämoxygenase-1 (HO-1), welches unter anderem Kohlenmonoxid (CO) erzeugt, von entscheidender Bedeutung für den Schwangerschaftserfolg ist. Während der Schwangerschaft müssen sich die sogenannten Spiralarterien – spezielle Blutgefäße der Gebärmutter - dramatisch verändern, um nicht nur die Gebärmutter, sondern auch den wachsenden Embryo mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. In den nun laufenden Untersuchungen soll analysiert werden, wie genau HO-1 und CO dazu beitragen, die Blutgefäße in der Gebärmutter so zu optimieren, dass sich der Embryo zunächst einnisten und dann wachsen kann. Eine Voraussetzung dafür ist das neue Ultraschallsystem (VEVO 2100 Imaging System, VisualSonics). Gute Ultraschallgeräte, wie sie beispielsweise zur Feindiagnostik bei menschlichen Schwangerschaften eingesetzt werden, haben eine Auflösung von 300 Mikrometern, das heißt, zwei Punkte die mindestens 0,3 Millimeter voneinander entfernt sind, können dargestellt werden. Das neue System der Experimentellen Gynäkologie besitzt eine Auflösung von 30 Mikrometern – das entspricht etwa dem halben Durchmesser eines menschlichen Haares! Daher können Prof. Zenclussen und ihr Team nun tatsächlich live verfolgen, wann und wie sich die Spiralarterien bei einer Mausschwangerschaft verändern und welchen Einfluss HO-1 und CO auf diesen Vorgang haben. Die Ergebnisse könnten auch dazu beitragen, die Ursachen für die gefürchtete Schwangerschaftskomplikation Präeklampsie zu ergründen. Denn diese sind nicht genau verstanden, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass durch HO-1 kontrollierte Vorgänge eine Rolle spielen.
Darüber hinaus birgt das neue Ultraschallgerät auch großes Potential für andere Forschungsrichtungen. So kann zum Beispiel die sogenannte Neoangiogenese, die Neubildung von Gefäßen, genauestens untersucht werden, ein Vorgang, der nicht nur für Reproduktionsbiologen von Interesse ist, sondern beispielsweise auch für Wissenschaftler, die an neuen Therapien gegen Krebs forschen.
Das neue Ultraschallgerät in Aktion. (Bild: Stefanie Langwisch) | Ein Mausembryo am Tag 13 der Schwangerschaft, aufgenommen mit dem neuen System. (Bild: Stefanie Langwisch) | Prof. Dr. Ana C. Zenclussen und Dr. Anne Schumacher bei der Verleihung des Hexal-Förderpreises für den wissenschaftlichen Nachwuchs 2015. (Bild: Andreas Lander) |
Dr. Anne Schumacher, die kürzlich mit dem Hexal-Förderpreis für den wissenschaftlichen Nachwuchs 2015 ausgezeichnet wurde, konnte ebenfalls eine Förderung durch die DFG einwerben. Sie wird in den nächsten Jahren die hormonelle Regulation des Immunsystems während der Schwangerschaft untersuchen. Bekanntermaßen enthält der heranwachsende Fötus Erbinformationen von Mutter und Vater – und genau das stellt das Immunsystem vor eine große Herausforderung, denn eigentlich würde es solches Gewebe als „fremd“ erkennen und abstoßen. Die Gebärmutter muss daher auf die Schwangerschaft vorbereitet werden und ihre Funktionen verändern, um den Fötus nicht abzustoßen, sondern ihn aktiv zu tolerieren. Dr. Schumacher widmet sich der interessanten Frage, welche Toleranzwege in der Schwangerschaft aktiviert werden um den Fötus solange zu beschützen, bis er bereit ist, zur Welt zu kommen. Denn nicht selten sind heftige immunologische Abwehrreaktionen der Mutter, der Grund für Früh- oder Fehlgeburten. Sie untersucht, wie regulatorische T-Zellen (Treg) dazu beitragen, dass das mütterliche Immunsystem die väterlichen Merkmale des heranwachsenden Fötus toleriert. Treg sind eine hochspezialisierte Sorte von weißen Blutkörperchen, deren Existenz erst seit etwa 20 Jahren unstrittig ist. Sie sind unter anderem deshalb interessant, weil sie auch für die Verhinderung von Autoimmunerkrankungen von entscheidender Bedeutung sind. Humanes Choriongonadotropin (hCG) hingegen ist das wichtigste Schwangerschaftshormon, sein steiler Anstieg zu Beginn einer Schwangerschaft ist für die entscheidende positive Linie auf einem Schwangerschaftstest verantwortlich. Frau Dr. Schumacher konnte erstmalig zeigen, dass hCG den Fötus unterstützt, indem es die Anzahl und die Aktivität der Treg erhöht, doch wie das vonstattengeht, ist noch unklar. Dr. Schumacher ist dem entscheidenden Bindeglied zwischen hCG und Treg auf der Spur, sie vermutet, dass eine weitere Art von weißen Blutkörperchen, dendritische Zellen, der Vermittler ist. Sie hofft, dass ein besseres Verständnis der Mechanismen, die zu der notwendigen Immuntoleranz während der Schwangerschaft führen, dazu beiträgt Therapien gegen Früh- und Fehlgeburten zu entwickeln. Diese könnten außerdem helfen, andere „fremde“ Organe erfolgreich zu tolerieren, zum Beispiel bei Organtransplantationen.
In einem weiteren Projekt, gefördert als Einzelantrag von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung, wird der Zusammenhang zwischen subklinischen mütterlichen Infektionen und Frühgeburten untersucht. Die Mechanismen die hinter dieser häufigen Schwangerschaftskomplikation stecken, sind nur höchst unzureichend verstanden. Klar ist, dass eine Vielzahl regulatorischer Mechanismen daran beteiligt ist, die Gratwanderung des Immunsystems zu regulieren: es darf die „fremden“, väterlichen Merkmale des heranwachsenden Embryos nicht angreifen, muss aber dennoch weiter in der Lage sein, schlagkräftig gegen Krankheitserreger vorzugehen. In diesem Projekt soll erforscht werden, wie eine bestimmte Art von B-Zellen - eine weitere spezielle Klasse weißer Blutkörperchen - durch die Produktion des Botenstoffes Interleukin-10, durch Infektionen verursachte Frühgeburten verhindert.
Alle drei Projekte sind hervorragende Beispiele dafür, wie im Gesundheitscampus Immunologie, Infektiologie und Inflammation, dem die Abteilung für Experimentelle Gynäkologie und Geburtshilfe angehört, hochrelevante klinische Probleme – in diesem Falle Früh- und Fehlgeburten und weitere Schwangerschaftskomplikationen – durch exzellente Grundlagenforschung ergründet werden.