24.02.2023 -
Prof. Dr. med. Florian Junne ist seit dem 1. April 2021 Direktor der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Anhand von elf Stichworten rund um das Thema Reise stellen wir ihn, seinen Werdegang und seine Ziele vor. Das Interview mit ihm wurde im Mai 2022 geführt.
Prof. Dr. med. Florian Junne (Foto: Melitta Schubert, UMMD)
Mobilität: Mit welchem Gefährt bewegen Sie sich am liebsten fort?
Seit ich in Magdeburg wohne ist auch das Fahrrad ganz hoch im Kurs, weil ich von Cracau aus, wo wir als Familie wohnen, eine schöne Strecke zur Arbeit habe. Ansonsten bin ich zwar mit einem E-Auto unterwegs, aber zugegebenermaßen nicht so viel mit Bus und Bahn.
Reiseroute: Auf welchen Wegen sind Sie nach Magdeburg gekommen?
Ich hatte das Glück, dass ich im Medizinstudium Lehrer hatte, die meine Neugier und meine Begeisterung für die Fragen von Gesundheit und Krankheit wachgehalten und sogar noch verstärkt haben. So wurde mir schon im Studium klar, es ist einerseits eine besonders motivierende und auch ehrenvolle Aufgabe Menschen helfen zu können in ihrer Erkrankung. Aber ich habe mich auch schon früh immer gefragt, wie können wir das weiterentwickeln und besser machen, wie werden wir den Menschen noch besser gerecht, wie finden wir wirksamere und bessere Lösungen. Dann hatte ich das Glück, dass ich schon im Studium eine klare Idee hatte, dass mich das Feld der Psychischen Gesundheit und insbesondere der Psychosomatik begeistert, so dass ich auf die Suche nach einer guten Umgebung für meine Facharzt-Weiterbildung gehen konnte. In der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum in Tübingen habe ich eine Abteilung und Mentoren gefunden, die mir die Chance gegeben haben schon früh auch mit wissenschaftlichem Arbeiten in Kontakt zu kommen.
Gepäck: Was bringen Sie in Ihrem Koffer mit?
Mich begeistert Mehrperspektivität, also die Sichtweisen nicht nur einer Denkrichtung einzubeziehen. Das ist Kern auch meines Fachgebiet, wo wir die psycho-bio-sozialen Aspekte von Gesundheit und Krankheit zusammen betrachten. Das führt auch dazu, dass ich sehr gerne mit Kollegen anderer Fachdisziplinen zusammenarbeite. In den letzten fünf Jahren war meine Forschung beispielsweise stark von der Zusammenarbeit in BMBF-Verbünden geprägt, und dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Sichtweisen bereitet mir immer wieder Freude und ist auch immer Entwicklungschance.
Kurzausflug: Wohin führt Sie Ihr erster Ausflug: nach Berlin, in den Harz oder an die Ostsee?
Einer der schönsten war kürzlich auf die Hundisburg, hier ganz in der Nähe. Im Harz waren wir aber auch schon, Langlaufen, das war toll. Aber wir waren erstmal relativ Magdeburg-zentriert. Wir sind nicht gleich wieder weggefahren.
Traumziele: Was sind Ihre wichtigsten Reiseziele?
Wir haben in Magdeburg kürzlich das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit mit Jena und Halle zusammen eingeworben. Mit dem DZNE und dem LIN bestehen ja bereits zwei sehr renommierte Zentren und dieses neue Deutsche Zentrum am Standort ist eine sehr große Auszeichnung für den Standort und eine tolle weitere Chance, den Neuroschwerpunkt ergänzt um die Perspektive der psychischen Gesundheit weiterzuentwickeln. Gleichzeitig haben wir in unserem Feld auch sehr enge Bezüge zur Immunologie, beispielsweise in der Psychoneuroimmunologie. Das neue Deutsche Zentrum hier am Standort, mit Bezügen in unsere beiden Hauptschwerpunkte, die Neurowissenschaften und die Immunologie, sehe ich momentan als den größten Auftrag und die größte Herausforderung an. Wenn wir in 10 Jahren sagen können, wir haben in Magdeburg beigetragen, echten neuen medizinischen Fortschritt für Menschen mit psychischen Erkrankungen zu erreichen, dann wäre das für mich und uns die größte Errungenschaft.
Einheimische: Wie empfinden Sie den "Machdeburjer"?
Wie überall sind die Menschen unterschiedlich und pauschale Bilder eher nicht hilfreich. Das Klima hier erlebe ich aber insgesamt als sehr bodenständig und teils sehr bescheiden, um nicht zu sagen manchmal etwas pessimistisch. In Magdeburg glaubt so mancher scheinbar erstmal nicht daran, dass etwas Gutes passieren kann. Das ist natürlich umso mehr Ansporn und Auftrag zum Beispiel für uns als Universitätsmedizin, positive Entwicklung zu zeigen und die Menschen zu überzeugen, dass Sie eine hervorragende Universitätsklinik und eine tolle Universität haben, auf die sie auch stolz sein können!
Reiseführer: Was waren die nützlichsten Wegweiser in Ihrer Karriere?
Da fallen mir die Impulse ein, die ich wichtigen Lehrern und Denkern verdanke. In Schulzeiten waren es beispielsweise G.E. Lessing und Max Frisch die mir sehr viel gegeben haben. Zum Beispiel das Lessing-Wort, dass das immerwährende Streben nach Wahrheit, nicht aber der Besitz von Wahrheit menschengemäß ist. Das hilft demütig zu bleiben und Mehrperspektivität im Diskurs – gerade auch in der Wissenschaft – leben und schätzen zu können. Am ersten Tag meines Medizinstudiums empfing uns ein sehr erfahrener Professor für Pharmakologie der uns damals mit auf den Weg gab, wir sollten immer hellhörig werden, wenn gesagt wird: „Das haben wir immer schon gemacht“, oder wenn jemand sagt: „Das haben wir noch nie so gemacht.“ Solche Sätze zum Anlass zu nehmen, zu hinterfragen, ob nicht vielleicht gerade an dieser Stelle Veränderungen gar nicht so schlecht wären, war ein guter Rat.
Meine eigenen wichtigen und hilfreichen Erfahrungen mit tollen Mentor:innen prägen heute meinen Anspruch nun selbst als Lehrstuhlinhaber und Klinikdirektor nach Kräften Ermöglicher und Unterstützer zu sein für eine gute Entwicklung von Mitarbeitenden, sei es in Klinik, Lehre oder Forschung. Wenn Menschen gerne und engagiert hier arbeiten, können wir die bestmöglichen Ergebnisse für die Patienten, für die Forschung und in der Lehre erreichen.
Angekommen: Sind Sie schon in Magdeburg sesshaft geworden?
Ja, wir sind gut angekommen. Die ersten Monate waren natürlich für die Familie auch eine sehr spannende und teils herausfordernde Zeit der Eingewöhnung. Inzwischen fühlen wir uns hier alle zuhause und sind voll identifizierte Neumagdeburger.
Urlaubsplanung: Wie gelingt Ihnen eine gute Work-Life-Balance?
Gar nicht. Zumal ich jetzt auch im Fakultätsvorstand mitarbeite, da ist Work-Life-Balance eigentlich nicht gut möglich, zumindest was die Balance zwischen Familie und Kindern und Beruf angeht. In vielen Fällen tue ich das, was ich hier tue, aber so gerne, dass es sich durchweg als sehr vitale und intensive Lebenszeit anfühlt, das hilft.
Reisebericht: Welche Spuren wollen Sie hinterlassen?
Wir haben tolle Entwicklungen, sowohl auf der Grundlagenseite als auch bei neuen, digitalen Technologien. Diese Innovationen können ins System überführt werden und bei den Patientinnen und Patienten ankommen. Ich möchte rückblickend dazu beigetragen haben, dass im Fall der psychischen Gesundheit weiter Barrieren reduziert werden, Therapien effektiver werden, dass Stigmata weniger werden, auch und gerade das Selbststigma, dass für viele Patienten sehr belastend ist.
Und natürlich möchte ich Studierende, Ärzte, Psychologen und Therapeuten dafür begeistern, selbst in diesem Feld der Psychischen Gesundheit tätig zu werden und ihre eigenen Spuren zu hinterlassen.
Inspiration: Wann haben Sie ihre kreativsten Momente?
Inspiration schöpfe ich vor allem aus den Momenten mit etwas Zeit zum Nachdenken, aber auch aus Kunst und Kultur, vor allem Malerei. Sehr gerne denke ich auch draußen nach in der Natur; wenn ich mal den Wind um die Nase habe, mal die Mauern des Uniklinikums und der Stadt verlassen kann. Es macht mir Spaß und gibt mir viel, mit Menschen in Kontakt zu sein. Gerade auch mal mit Menschen, die nicht im medizinischen Bereich arbeiten, das hilft oft wieder einen neuen Blick auf die Fragen zu bekommen, die uns alltäglich beschäftigen.