Natürliche Killer-Zellen, Nierentransplantationen und Notbremsen – die GC-I³-Paper des Jahres 2019
Der Gesundheitscampus Immunologie, Infektiologie und Inflammation (GC-I³) zeichnet in diesem Jahr bereits zum vierten Mal drei herausragende Arbeiten seiner Mitglieder mit dem Preis „GC-I³-Paper des Jahres“ aus. Die drei besten Arbeiten aus den neun Bewerbungen wählte der Vorstand des GC-I³ aus, über die Reihenfolge konnten dann alle GC-I³-Mitglieder in einer geheimen Abstimmung entscheiden.
Den ersten Platz sicherte sich in diesem Jahr Martha Böning. Die Doktorandin forscht seit Mai 2017 in der Arbeitsgruppe von Prof. Dunja Bruder im Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene. Prämiert wurde ihre Publikation „ADAP Promotes Degranulation and Migration of NK Cells Primed During in vivo Listeria monocytogenes Infection in Mice“, die in „frontiers in Immunology“ erschienen ist. Die Nachwuchswissenschaftlerin konnte in dieser Arbeit zeigen, dass das Adhäsions- und Degranulations-fördernde Adaptor Protein (ADAP) in Natürlichen Killer-Zellen (NK-Zellen) unter physiologischen Bedingungen wichtige Funktionen hat. NK-Zellen sind Zellen des angeborenen Immunsystems, die sowohl Tumorzellen als auch von Viren und intrazellulären Krankheitserregern befallene Zellen erkennen und bekämpfen können. Die wenigen bisher bekannten Arbeiten zur Rolle von ADAP in NK-Zellen sind jedoch äußerst widersprüchlich und basieren darüber hinaus ausschließlich auf in vitro Versuchen. In der vorliegenden Studie konnte das Team nun anhand eines Tiermodells im lebenden Organismus zeigen, dass ADAP in NK-Zellen unter physiologischen Bedingungen mindestens zwei wichtige Funktionen erfüllt. Es ist verantwortlich für die effiziente Fortbewegung von NK-Zellen und trägt dazu bei, dass sie ihre Hauptfunktion, Tumorzellen und infizierte Zellen zu töten, wirksam wahrnehmen können.
Mit dem zweiten Platz wurde Dr. Florian Scurt (Assistenzarzt in der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie) für seine Arbeit „Clinical outcomes after ABO-incompatible renal transplantation: a systematic review and meta-analysis“, die in der renommierten Zeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, ausgezeichnet. Für Patienten mit Niereninsuffizienz im Endstadium ist eine Nierentransplantation die bestmögliche Therapie. Doch diese Option steht leider nicht allen offen: die Menschen werden immer älter, immer mehr Patienten sind auf eine Dialyse angewiesen und gleichzeitig sinkt die Bereitschaft zur Organspende. Eigentlich versucht man bei Organspenden eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen den Blutgruppenmerkmalen von Spender und Empfänger zu finden, um Abstoßungsreaktionen durch das Immunsystem zu verhindern. Insbesondere bei Lebendnierenspenden ist jedoch die sogenannte AB0-Blutgruppen-inkompatible Nierentransplantation (AB0i-rTX), bei der die Blutgruppenmerkmale nicht berücksichtigt werden, mittlerweile ein Standardverfahren. Der klare Vorteil ist der erheblich größere Spenderpool, Empfänger einer AB0i-rTX müssen jedoch vor und nach der Transplantation zahlreiche Medikamente erhalten, damit ihr Immunsystem die neue Niere nicht angreift. Dr. Scurt und sein Team haben nun in einer umfangreichen Metaanalyse die Ergebnisse zahlreicher Studien vereint und ausgewertet und herausgefunden, dass im Vergleich zur AB0-Blutgruppen-kompatiblen Nierentransplantation (AB0c-rTX) bei der AB0i-rTX das Überleben von Patienten und Transplantaten leicht verringert ist und es ein leicht erhöhtes Risiko für Komplikationen und Abstoßungsreaktionen gibt. Hierzu gab es bis dato widersprüchliche Ergebnisse, Dr. Scurt hofft daher, dass seine Analyse Ärztinnen und Ärzten dabei helfen wird, Nutzen und Risiken einer AB0i-rTX besser abzuwägen, und niereninsuffiziente Patienten medikamentös optimal auf eine AB0i-rTX vorzubereiten und nach der Transplantation zu begleiten.
Den dritten Platz erhielt Dr. Mandy Pierau (PostDoc in der Abteilung für Experimentelle Pädiatrie und Neonatologie), deren Artikel „CTLA-4-competent conventional T-cells back up regulatory T-cells to restrain memory T-helper type 2 cell responses“ in „Allergy“ publiziert wurde. Mittlerweile wissen Immunologen, dass es viele verschiedene Arten von T-Zellen gibt, die unterschiedliche, wichtige Funktionen im Immunsystem erfüllen. Aktivierte Th2 T-Zellen sind wichtig bei der Abwehr von extrazellulären Bakterien und Würmern und schützen vor Toxinen. Läuft ihre Aktivierung jedoch aus dem Ruder, können allergische Entzündungsreaktionen wie beispielsweise Asthma die Folge sein. Ihre Aktivierung muss also sorgfältig reguliert werden. Man wusste bereits, dass sowohl regulatorische T-Zellen (Tregs) als auch aktivierte konventionelle T-Zellen (Tconv) das Molekül CTLA-4 auf ihrer Oberfläche tragen. Beide Zelltypen regulieren die Aktivität und Differenzierung von Th2 T-Zellen. Dr. Pierau untersuchte im Detail, wie Tregs und Tconv hierbei zusammenspielen und welche Rolle CTLA-4 dabei spielt. Sie konnte in vitro und in vivo zeigen, dass beide Zelltypen Th2 T-Zellen in Schach halten, dass Tregs hierbei jedoch in der Hierarchie über den Tconv stehen. Die Tconv übernehmen jedoch diese wichtige Rolle, sobald die Tregs - zum Beispiel weil ihre Anzahl oder Funktion verringert ist - ihre Rolle nicht mehr ausreichend wahrnehmen können. Sie sind sozusagen die Notbremse, wenn die normale Bremse nicht mehr richtig funktioniert.
Eine feierliche, öffentliche Preisverleihung war in diesem Jahr leider nicht möglich, dennoch dürfen sich die drei Preisträger*innen über eine Urkunde und ein Preisgeld von 1000, 500 oder 250 € freuen. Verliehen wurden diese durch Prof. Dr. med. Christoph Lohmann, den amtierenden Sprecher des GC-I³ am 17. November in einer kleinen Zeremonie. Prof. Lohmann verriet, dass die Abstimmung über die Reihenfole der vergebenen Preise dieses Jahr sehr knapp war, was die hohe Qualität aller drei ausgezeichneten Arbeiten unterstreicht!
Der Vorstand des Gesundheitscampus Immunologie, Infektiologie und Inflammation freut sich, dass das „Paper des Jahres“ zunehmend zu einer Tradition im Gesundheitscampus wird, und hat auch in diesem Jahr wieder eine Ausschreibung für den Titel „GC-I³ Paper das Jahres 2020“ veröffentlicht.